TRIOlogie

Stephan. Peter. Kralle.

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Silberbart

Silberbart wurde Ende 1969 in Varel von Hajo Teschner gegründet. Teschner war zuvor in der Band Tonics aktiv, die ihm jedoch zu kommerziell erschien. Zwei der Tonics-Mitglieder (Bassist Benny Bendorff und Percussionist Herbert Bornholdt) hatten sich der James-Last-Band angeschlossen, während der Sänger Manfred Oberdörffer als Tony erfolgreich ins Schlagergeschäft einstieg.

Noch mit Gerd Bäker am Schlagzeug coverte Silberbart anfangs Titel von Deep Purple, Grand Funk Railroad, Led Zeppelin, Jimmy Hendrix oder Cream. Als der ehemalige JazzschlagzeugerPeter Behrens zu Silberbart traf, konnte Bandleader Teschner erstmals seine eigenen musikalischen Vorstellungen mit Silberbatz umsetzen. Bei den Proben wetteiferte Behrens mit seinen Bandkollegen um die Lautstärke der Band, was Silberbart zeitweise den Ruf einbrachte, die lauteste Band der Welt zu sein.

Silberbart erspielte sich in Norddeutschland auch ohne einen Manager schnell ein treues Publikum. Einmal in der Woche spielte die Band in Dangast im Alten Kurhaus, wohin die Fans auch längere Anfahrten in Kauf nahmen. Daneben veranstaltete die Band regelmäßige Auftritte im Allee-Hotel in Varel, zu denen sie bekannte Bands als Hauptact einluden. So spielte Silberbart als Vorband für Eloy, Frumpy oder auch Kraftwerk.

In Hamburg-Blankenese nahm Silberbart im April und Mai 1971 ihre einzige LP 4 times sound razing auf. Die nur vier Lieder des Albums wurden live im Studio eingespielt und waren eigentlich nur als Demo-Aufnahmen gedacht. Dennoch übernahm die Hamburger Plattenfirma Philips die Aufnahmen unverändert und veröffentlichte sie auf Schallplatte. Trotz der Veröffentlichung gelang es Silberbart nicht, über die Grenzen von Norddeutschland hinaus bekannt zu werden. Die Band der drei arbeitslosen Musiker wurde daher Ende 1971 aufgelöst.

Bassist Werner Klug spielt nach wie vor Bass in einigen Bluesbands. Teschner wurde Gitarrenlehrer und verfasste mit "Fridolin" ein anerkanntes Gitarrenlehrwerk.

Eine kurze Bandgeschichte

Ende 2012 veröffentlichte das Label LongHair das Album 4 times sound razing neu. Darin verfasste Bandleader Jajo Teschner die Bandgeschichte wie folgt:

Die Gruppe wurde 1969/1970 in Varel gegründet. Zu der Zeit spielte ich noch in Hamburg bei den Tonics. Die Mitglieder der Tonics strebten aber schon eigene Wege an: Toni (der Sänger) versuchte sich an einer Solokarriere als Schlagersänger („Mädchen mit roten Haaren"), der Bassist Benny Bendorff stieg bei James Last ein, und Herbert Bornholdt trommelte in verschiedenen Bands, u. a. bei Lucifers Friend, war danach auch lange Percussionist im James Last Orchester. Ich selbst hatte von der recht kommerziellen Beatmusik der Tonics erst mal genug, obwohl ich auch Kompositionen in dieser Richtung abgeliefert hatte („Hugger Mugger Mummery", „Out with the Powwow“), ziemlich peinlich aus heutiger Sicht, aber damals wollten wir alle irgendwie schnell Millionäre werden. Wir, das waren eben die Hamburger Mucker, die oft in den Studios zuhause waren und den Geruch des großen Geldes in die Nase bekamen.

Die Erstbesetzung von Silberbart bestand aus Gerd Bäker (Drums, inzwischen verstorben), Werner Klug (Bass) und ich an der Gitarre und mit grausligem Gesang gesegnet. Gerd Bäker wurde bald durch Peter Behrens ersetzt. Peter kam eher aus der Jazzecke und galt als einer der besten Drummer unserer Gegend. Wie alle Bands spielten wir zunächst Titel unserer Lieblingsgruppen nach, Titel von Deep Purple, Grand Funk Railroad, Led Zeppelin, Jimmy Hendrix, Cream u.a. Werner Klug und ich hatten bereits mit Marshalltürmen aufgerüstet, womit Peter Behrens am Anfang lautstärkemäßig überhaupt nicht zurechtkam. Er besorgte sich schließlich Sticks (Knüppel müsste man sagen) vom Spielmannszug und zertrümmerte in der ersten Zeit so manches Snarefell. Den Stil konnte man – angesichts unserer Vorbilder – als Hard Rock bezeichnen. Mit der endgültigen Silberbartbesetzung konnte ich aber allmählich meine eigenen Ideen verwirklichen. Eine einigermaßen treffende musikalische Analyse ist der Pressemitteilung der Phonogram (Philips) zu entnehmen.

Wir hatten das Glück, in Dangast am Jadebusen einen aufgeschlossenen Gastwirt zu finden, Karl-August Tapken, der uns einmal wöchentlich in seinem Alten Kurhaus spielen ließ. Die Konzerte errangen bald Kultstatus. Die jugendlichen Zuschauer kamen aus der umliegenden Gegend (Oldenburg, Wilhelmshaven, Nordenham, Aurich usw.), vielfach 30 bis 40 km mit dem Fahrrad oder dem Moped. Silberbart gastierte natürlich auch in anderen Orten, vorzugsweise aber in der näheren Umgebung. Konzerte weiter weg haben wir selten gegeben, eine Tournee schon gar nicht. Wir hatten keinen Manager, mussten alles selber organisieren. Ich und Werner Klug, der ein Musikstudium in Hamburg angefangen hatte, pendelten jede Woche zwischen Hamburg und Varel. Die Kosten für den allmählich erforderlichen Bandbus und die anwachsende Verstärkeranlage konnten wir kaum mit den Gagen bezahlen. Einmal sind wir auf einen sog. Manager hereingefallen, der uns dann als die lauteste Band der Welt anpries. Das ging natürlich nach hinten los, und der „Manager" verschwand schon beim zweiten Gig mit den Kasseneinnahmen.

Wir von Silberbart veranstalteten 1971 zusätzlich zu den Dangastauftritten mehrere Konzerte mit Gastbands im Allee-Hotel in Varel. Wir konnten einige der damals bekanntesten Bands nach Varel holen, u. a. Eloy und Frumpy, und spielten zum Auftakt immer selbst als Vorgruppe. Die eigentlichen Hauptacts hatten allerdings nach unserem Auftritt einen ziemlich schweren Stand, da wir einen überwältigenden Rabatz machten mit atonalen Klangstürmen, brutalen Heavy Rock-Passagen und ausgesprochen virtuosen Instrumentalsoli. Die Gastbands klangen hinterher wie brave Oberschulbands. Kraftwerk machte eine gute Figur, allerdings hatten wir auf unser „Vorspiel“ verzichtet (!!).

In meiner Hamburger Zeit hatte ich Thomas Kuckuck und Hans Otto Mertens kennengelernt. Mit den beiden als Aufnahmetechniker und Produzenten haben wir mit Silberbart unsere einzige LP aufgenommen, in einem sehr einfachen Studio (ich glaube 4-Spur), das eigentlich für Sprechaufnahmen vorgesehen war. Die Aufnahmen, praktisch eine Art Livekonzert im Studio, waren als Demos gedacht, entsprechend war die Klangqualität. Dann wurden aber diese Aufnahmen von der Philips übernommen und ohne weitere Veränderungen als LP auf den Markt gebracht. An der finanziellen Situation hatte sich für uns wenig geändert. Trotz der LP waren wir außerhalb unserer Gegend kaum bekannt. Wir hatten alle drei keine feste Arbeit, sondern mussten uns irgendwie mit den Auftritten über Wasser halten. Das kann man nicht ewig durchhalten. Ende 1971 wurde die Band aufgelöst.

Der Bassist Werner Klug verdiente sich zunächst als selbstständiger Trucker seinen Lebensunterhalt, konnte eine Ausbildung zu Ende bringen und hatte dann feste Anstellungen in Firmen. Er spielt bis heute Bass in verschiedenen Rockbands mit Schwerpunkt auf Blues und dem Rock der 70er Jahre. Die Karriere von Peter Behrens als Mitglied von Trio ist bekannt. Schade, dass von seinem fantastischen Schlagzeugspiel nicht mehr viel übrig geblieben ist. Ich selbst habe ein bis dahin schon laufendes (oder eher ruhendes) Musikstudium (Hauptfach Konzertgitarre) 10 Semester lang durchgehalten, konnte als Gitarrenlehrer in der Kreismusikschule Friesland anfangen, zusätzlich auch an der Universität in Oldenburg. Mein über die Jahre gewachsenes Gitarrenlehrwerk Fridolin gehört zu den erfolgreichsten Gitarrenschulen in Deutschland. Nebenher gab es verschiedene Bandprojekte, Kompositionen, schriftstellerische Aktivitäten (Roman, Zeitungskolumnen).

Seit 2010 arbeite ich an einem ziemlich schrägen künstlerisch-literarischen Website-Projekt, ohne jede Absicht auf kommerzielle Verwertung. Daneben spiele ich Bassgitarre in einem Jazztrio. Meine zerhauene und von den Silberbartexzessen ramponierte 68er Fender Strat genießt ihr Gnadenbrot in einem mit Samt ausgeschlagenen Gitarrenkoffer.

Hans-Joachim Teschner, Oktober 2012
silberbart.txt · Zuletzt geändert: 2022/09/09 13:19 von triologe

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