TRIOlogie

Stephan. Peter. Kralle.

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PENTHOUSE-INTERVIEW

„Ich möchte ein Ding haben, vielleicht mit der Lady Di oder so.“

Wenn „Trio“ ein Cocktail wäre, so gäbe es darin sowohl Himbeersirup wie auch Jack-Daniels-Whisky. Und anstelle der Kirsche oder Olive einen aufgespießten, rosaroten Bubblegum. Als ob man's irgendwem noch zu erklären bräuchte: „Trio“ ist eine Mischung aus butterweichem Schnulzengefühl, knackigem Rock'n'Roll und querem Spaß.

Außer dem Sänger, Texter und Sprecher Stephan Remmler besteht der flotte Dreier aus Stehschlagzeuger Peter Behrens und Guitarrero Kralle Krawinkel. Peter und Kralle reden wenig, Stephan dafür umso mehr. Nur logisch, dass Stephan dieses PENTHOUSE-Interview bestritt. Stattgefunden hat es in der Roten Fabrik in Zürich, wo die Band in der Künstlerkommune Freunde aus jenen Tagen hat, als der Erfolg erst heraufzudämmern begann.

Angefangen hat ja alles ein bisschen sehr plötzlich. Mit einer ersten Produktion, die sich Anfang 1981 auf den Markt geschlichen hat. Alles an jener LP war minimal. Der Sound, die Information über die Gruppe, die Hülle. Anstelle des sonst üblichen Hochglanz-Fotos hatte ein grafisch ungebildeter Mensch vorne und hinten ein paar Hieroglyphen hin gekritzelt. Schwarz auf weiß, bestenfalls ein akuter Fall für den Graphologen. Als Blickfang zwei Herzen - das eine durchgekreuzt -und die Direktwahl-Telefonnummer der Gruppe im norddeutschen Bauerndorf Großenkneten.

Die Scheibe machte die hinteren Ränge der Hitparade, vor allem dank einem soliden Werbegag. „Trio“ tingelte. Nicht irgendwo, sondern an vorderster Verkaufsfront. Landauf, landab besuchten Peter, Kralle und Stephan die größten Schallplatten-Fachgeschäfte und machten zwischen den Gestellen eine halbe Stunde Live-Musik. Zwei Monate lang, täglich mehrmals, in 42 verschiedenen Ortschaften. Als im März 1982 die praktisch von allen Fachleuten einhellig als unverkäuflich eingestufte Single „Da Da Da, ich lieb' dich nicht, du liebst mich nicht“ anrollte, ging der Tanz erst richtig los. Nicht nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz, sondern praktisch auf der ganzen Welt. „Trio“ wurde über Nacht zum Thema des Jahres. Geliebt oder gehasst. Am Stammtisch, in den Gazetten, in Funk und Fernsehen.

Nachdem auf der „Anna“-Single vor einem Jahr die Nummer des Bankkontos von „Trio“ abgedruckt war, wird es auf der aktuellen Langspielplatte noch viel extremer: die Band verkauft das Cover als Werbefläche. Jeweils 100.000 Hüllen werden mit Inseraten verziert. Bisher hat es zum Beispiel Werbung für Sportbrillen, für „Hör zu“, für Casio-Musikcomputer und die neue LP von den Rolling Stones gegeben, neben Kleinanzeigen von Privatleuten im Stil von „Conny grüßt Franz“. Die Bosse der Plattenfirma, obwohl von „Trio“ bereits einiges gewöhnt, verstehen die Welt nicht mehr. Manager Michael Conradt allerdings sieht keine Probleme: „Die Trio-Fans sehen doch das Augenzwinkern…“

Die neue Scheibe ist sowohl textlich als auch konzeptionell genauso frischfrechfrei und minimalschmalbanal wie die Bumdadareinraus-Sachen zuvor. Außer einem Song von Yoko Ono mit Männerchor und einer Edelschnulze mit Kammerchor geht's da lang, wo's bisher langgegangen ist.

Livehaftig wird man die Ulkgruppe bei uns vorläufig nicht zu Gesicht bekommen, wenn man von zahlreichen Auftritten in der Röhre absieht. Eine Tournee durch Deutschland, Österreich und die Schweiz steht erst im Frühjahr auf dem Programm.

Beim PENTHOUSE-Gespräch gibt sich „Trio“-Chefdenker Stephan Remmler nicht nur als cleverer Businessmann, witziger und schlagfertiger Kopf, sondern ganz einfach als sympathischer Mensch. Beat Hirt, der das Interview realisiert hat, ist überzeugt: „Er ist der geborene Star, der zweifellos das Zeug zum großen Volksunterhalter hat.“ Wetten, dass Stephan Remmler in ein paar Jahren seine erste eigene Samstagabend-Kiste haben wird!


Penthouse: Die „Neue Deutsche Welle“ ist weg. Ihr vom „Trio“ seid noch da, die Dinosaurier der Wellen-Bewegung. Warum eigentlich habt ihr überlebt?

Stephan Remmler: Ja, warum eigentlich?

Penthouse: Weil ihr eine neue Art von Entertainment verkörpert?

Remmler: Wir sind die neue deutsche Fröhlichkeit, wo man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll. Das war einer der Sätze, die ich eine Zeitlang so jeden Abend gesagt habe. Und pressemäßig verkürzt war das dann noch die neue deutsche Fröhlichkeit. Weil wir ja die ersten der „Neuen Deutschen Welle“ waren, die nicht mit dem Zeigefinger in der Wunde bohrten, sondern mit Augenzwinkern zur Sache kamen.

Penthouse: Lachen oder weinen?

Remmler: Weshalb? Wir beschreiben doch Zustände, die eigentlich traurig sind. Aber wir bringen das auf eine ironische, eine distanzierte Art. Nehmen Sie einmal „Da Da Da“. Soll man denn über diesen Zustand öffentlich betrübt sein, dass die Leute ihre 17. Krise haben und sich nichts mehr zu sagen haben und sich doch nicht trennen? Oder soll man darüber lachen, weil diese Szene satirisch dargestellt wird? Bei uns ist immer irgendwo Zynismus oder schwarzer Humor drin. Das genau ist die neue deutsche Fröhlichkeit, wo man nie weiß, ob man lachen oder weinen soll. No-Future- Sprüche – mit Galgenhumor. Wir kommen ja nicht aus der Ecke, die sagt, die Welt ist schön, everything is beautiful. Ich weiß doch, dass es den sauren Regen gibt. Aber als Band ist das nicht unser Ding, uns den Frust noch bezahlen zu lassen. Ich finde es eine Unverschämtheit, wenn Leute nichts anderes anzubieten haben als ihre Frustrationen. Das mag soziologisch gesehen seine Bedeutung und seine Wichtigkeit haben, mag eine Notwendigkeit als Entwicklungsstadium sein. Aber als professionelle Entertainer, Rockmusiker, wie auch immer, finde ich, kann man intelligent und wach sein, aber auch unterhaltend.

Penthouse: Ist das auch die Ansicht der Gruppe?

Remmler: Die würden nicht sagen, dass ich Unsinn rede, aber sie würden die Sache von einer ganz anderen Seite her angehen. Jeder von uns ist auf seine Art verschieden, und jeder hat sein eigenes Weltbild.

Penthouse: Diskutiert ihr darüber?

Remmler: Das brauchen wir nicht mehr – wir kennen uns da. Es äußert sich auch nicht in Diskussionen, es äußert sich im Alltag. Peter ist ein Konfusionist. Peter macht Sachen konfus. Wenn wir jetzt also diskutieren, nach den Gesetzen der Logik, dann würde Peter sofort dafür sorgen, dass alles drunter und drüber geht. Richtig im Sinn der Marx Brothers, damit die Kategorien, auf denen wir tatsächlich miteinander klarkommen, nicht mehr funktionieren.

Penthouse: Habt ihr drei von „Trio“ auch in Zukunft vor, miteinander zu leben?

Remmler: Das tun wir eigentlich gar nicht mehr. Großenkneten ist einfach unsere Zentrale. Es hat sich eine Professionalität entwickelt, man ist ein Team, das zu den Zwecken des gemeinsamen Produkts miteinander zu tun hat. Man respektiert sich. Man weiß, dass man wichtig ist füreinander und den anderen als Einfluss braucht. Das heißt aber nicht, dass wir jeden Abend gemeinsam kochen und jeden Abend gemeinsam ins Kino gehen. Zum Zusammenleben gehörte in Großenkneten schon immer auch, dass jeder vor seinem eigenen Fernseher sitzt. Vielleicht sitzen wir mal alle auf Peters Bettkante und gucken gemeinsam in die Röhre. Weil Peter am wenigsten signalisiert: Das ist mein Reich, komm mir hier bitte nicht in die Quere. Meine beiden Kollegen fühlen sich auf die Dauer nicht so wohl in meinem Zimmer, und Peter und ich fühlen uns nicht so wohl in Kralles Zimmer.

Penthouse: Sind Sie gern für sich allein?

Remmler: Ja. Ich arbeite sehr viel, will nach vorne und meine Sache sehr gut machen. Da brauche ich Leerlaufphasen und brauche Einsamkeit. Wo ich mich auch mal gehenlassen kann.

Penthouse: Man sieht euch in der Öffentlichkeit, oder besser gesagt, in der durch Pressefotografen dargestellten Öffentlichkeit, sehr selten in Damenbegleitung.

Remmler: Da arbeite ich ja dran, ich möchte ein Ding haben, vielleicht mit Lady Di oder so. Also ich finde es natürlich überhaupt nicht toll, wenn Leute echt in mein Privatleben eindringen. Aber zehn Tage hintereinander Boulevardpresse wie Mick Jagger und Jerry Hall, das fände ich toll. Vertragen, auseinander, küssen, Frontpage.

Penthouse: Vielleicht gäbe Mick Jagger viel Geld dafür, wenn ihn die Paparazzi nicht dauernd verfolgten…

Remmler: Der hätte doch die Möglichkeit, sich abzuschließen, wenn er wollte. Von Keith Richards weiß man kaum etwas. Nur Mick macht sein Seelenleben so öffentlich. Ich persönlich finde das riesig. Mir selbst fehlt nur noch die entsprechende Sache, die frontpage-würdig ist.

Penthouse: Was würde denn Ihre Freundin dazu sagen?

Remmler: Ich habe keine Freundin, in der Weise, dass ich eine Freundin hätte, die sich berechtigterweise darüber beschweren könnte. Stellen Sie sich mal vor: Stephan Remmler mit Lady Di. Haben sich die beiden getroffen oder nicht getroffen? Was sagt Prinz Charles dazu? Wahr oder nicht wahr? Tagelang vorne drauf. Das fänd' ich irre. Ich möchte das aber nicht missverstanden haben. In meinem Alltag fände ich das überhaupt nicht toll. Ich bin auch leicht genervt, wenn ich irgendwo esse und Autogramme geben soll. Grundsätzlich ist es ja schön, es ist ein Zeichen, dass man beliebt ist und Erfolg hat. Aber auf dem Auge bin ich gar nicht volkstümlich. Von uns dreien am wenigsten.

Penthouse: Hat das damit zu tun, dass sich der Freundeskreis ändert, wenn man berühmt wird? Dass es viele neue Freunde – Pseudofreunde – gibt?

Remmler: Das ist kein Problem für mich. Ich habe kaum Leute so dicht an mir dran, dass ich mit einer großen Enttäuschung aufwachen und feststellen würde, ach, das war ja gar nicht mein Freund. Ich lasse das nicht zu einer solchen Situation kommen. Wenn Sie jetzt ein Interview schreiben würden, wo Sie mich total in die Pfanne hauen, dann würde mich das nicht erschüttern. Dann würde ich sagen, okay, another one, wo ich dachte, wir hätten drei Stunden lang 'ne schöne Sache, und in Wirklichkeit hat er kalkuliert und stellt das jetzt ganz anders dar. Das Risiko gehe ich ein, aber das würde mich – wenn ich PENTHOUSE aufschlage – nicht an der Welt zweifeln lassen.

Penthouse: Sie sind kaum ein Mensch, der starke Bindungen sucht?

Remmler: Da bin ich wohl etwas distanzierter und kontrollierter als viele. Was ist Bindung, und wo geht sie in Abhängigkeit über? Wo fängt die Selbstaufgabe an? Ich habe zwei, drei Frauen, zu denen ich wirklich Vertrauen habe. Die kenn' ich schon lange, und die sind mir gute Freundinnen, egal ob ich jetzt jeden Samstag im Fernsehen bin oder nicht.

Penthouse: Würden Sie zu einem Klassentreffen fahren?

Remmler: Das nervt. Was soll's, ich bin nicht gegen so was, aber wenn Sie im Showbusineß sind und kommen da rein, die Kameraden können das ja nicht wegdenken und so tun, als wäre alles ganz normal.

Penthouse: Werden Sie gern erkannt? Beobachten Sie die Leute, ob sie Sie kennen?

Remmler: Als Idee freut es einem, dass man populär ist, in der Praxis ist es etwas nervig. Aber das akzeptiere ich. Damit komme ich zurecht.

Penthouse: Mal ganz ehrlich: Haben Sie damit gerechnet, Sie werden mal eine Persönlichkeit, nach der man sich umdreht?

Remmler: So habe ich das ganz sicher nicht gedacht, aber ich glaube, wenn man ins Showbusiness geht, dann träumt man von Erfolg. Wer was anderes behauptet, der lügt. Denn der Maßstab des Showbusiness ist ja der, ob man die Masse ansprechen kann. Nehmen Sie Heinz Rühmann. Seine „Feuerzangenbowle“, mit allen ideologischen Einschränkungen, über die man hinwegsehen kann, wenn man guten Willens ist, wird auch in 50 Jahren die Leute noch erfreuen.

Penthouse: Interessiert Sie, ob das, was „Trio“ jetzt macht, auch Bestand hat?

Remmler: Ich glaube ja. Ich weiß nur nicht, ob irgendwann der Punkt kommt, wo ich sage, ich habe das und das erreicht. Ob ich jetzt noch mehr erreiche, ist mir Wurscht. Ich weiß nicht, wie eisern ich arbeiten würde, um den Stellenwert eines Bing Crosby oder eines Fred Astaire zu erreichen. Rein hypothetisch, versteht sich. Viel wahrscheinlicher ist, dass ich in vier Jahren einmal sage: Das war's. Kein Bock mehr. Aus. Genauso, wie ich als Lehrer Schluss gemacht habe.

Penthouse: Wär's eine große Ernüchterung für Sie, in zehn Jahren feststellen zu müssen, „Da Da Da“ ist bereits der Höhepunkt gewesen?

Remmler: Das müsste ich erst einmal differenzieren. Weil „Da Da Da“ wirklich ein Phänomen war. Ich glaube nicht, dass ein einzelner Paul-McCartney-Hit je in so vielen Ländern in die Top 5 vorgestoßen ist. Das sind eben Sachen, die kann man nicht steuern. Insofern war „Da Da Da“ ein Höhepunkt. Aber man muss ja weitermachen. Eine Enttäuschung wäre, wenn wir in Zukunft nur noch Flops zustande brächten. Keine Enttäuschung, wenn eben kein Ding mehr dabei ist wie „Da Da Da“.

Penthouse: An dieser Stelle kann keine andere Frage kommen als diese: Wie ist das geniale, das doofe, das idiotische, das unübertreffliche „Da Da Da“ geboren worden?

Remmler: Da war damals eine Kompositionsidee von Kralle, die dann von mir – wie soll ich sagen — neutraler gemacht wurde. Das läuft meistens so. Es kommt also irgendein halbfertiges Ding von Kralle, das pick' ich auf, geb's wieder zurück, und am Schluss machen wir's zu dritt. Das, was bei Kralle noch wie Jimi Hendrix klingt und erst übern Prozess wie „Trio“ – das ist die harte Knochenarbeit.

Penthouse: Reduzieren, vereinfachen. Das meinen Sie doch damit?

Remmler: Vereinfachen, gut, darauf läuft's hinaus. Die Absicht ist nicht, es zu vereinfachen, sondern es essentiell zu machen. Also wenn jetzt etwas entsteht – Dienstagnacht, zwei Uhr, Vollmond, Party, ein ganz bestimmter, magischer Moment -, dann muss das Ding so rauskommen, dass es auch Sonntagmorgen ist und auch Montag 18 Uhr. Es muss eine Generallinie gefunden werden, die weggeht von diesem Individuellen, Persönlichen, Wichtigen, das den Künstler in diesem Augenblick bewegt hat.

Penthouse: Wir waren beim unübertrefflichen „Da Da Da“. Wie ist das dann essentiell geworden?

Remmler: Ich ließ mir also diese Idee von Kralle durch den Kopf gehen und fummelte dabei an so einem musikalischen Mini-Computer herum, den ein Freund am gleichen Tag als Geschenk dagelassen hatte. Ich bin kein Keyboarder und kein Synthesizer-Mann, ich spiel' mit diesen Sachen rum, ich nehm' eine Möglichkeit, die sich mir ziemlich schnell bietet, und irgendwo klingt das dann. Nicht, dass ich das Instrument in seinen Millionen Möglichkeiten kenne und ausschöpfe. Jetzt war da also eine Melodie mit einem Arbeitstext von Kralle. Die Melodien-Linie war bei Kralle einfach lalala, und ich hab' gesungen, Da Da Da. Und das ist dann stehengeblieben. Ich habe eine gute Ader für spontane Sachen, die stimmen und die man nicht mehr verändern soll.

Penthouse: Mit Dadaismus hat der Textscherz also nichts zu tun.

Remmler: Nein. Es symbolisiert ein Gespräch. Wahrscheinlich haben wir auch mal mit blablabla experimentiert, aber das klingt schon wieder zu albern.

Penthouse: Sie sind ja für die Texte verantwortlich. Wie suchen Sie sich die Themen?

Remmler: Es sind immer Sachen, die von innen kommen. Also nicht diese Udo-Jürgens-Texte, schau mal nach, was ist gerade in der „Bild“-Zeitung aktuell, komm, lasse uns doch ein Lied darüber machen. So hab' ich nie gearbeitet.

Penthouse: Das gemeinsame Lieblingsthema von PENTHOUSE und von „Trio“ sind die Frauen. Und viele Frauen empfinden genau diesen Umstand als frauenfeindlich.

Remmler: Ich liebe die Frauen. Aber unsere Frauenlieder sind ja keine Lieder mit Happy End. Das sind alles Lieder, wo's schiefgeht. Und ich stelle mich nicht hin und sage, ihr müsstet euch so und so verhalten, um den Frauen gerecht zu werden, sondern ich beschreibe einfach, wie ich mich, als Mann in meinem Alter, mit meiner Entwicklung, zu Frauen verhalte. Beschreibe aber im gleichen Atemzug, ehrlicherweise, dass das die und die Spannungen, die und die Frustrationen und die und die Freuden hat. All die Frauen, die uns vorwerfen, wir seien frauenfeindlich, die sehen nur den einen Fall, wie wir uns verhalten, die sehen aber nicht den zweiten Fall, nämlich, dass wir nachschicken, mit diesem Verhalten kommt es nicht zu einem glücklichen Ende.

Penthouse: An welches Lied denken Sie jetzt?

Remmler: Nehmen Sie die „Sabine“, dieser Monolog am Telefon. Ich beschreibe, wie ein Typ auf ausnutzerische, chauvinistische Art – komm doch mal her und so – mit einer Freundin spricht. Aber ich beschreibe doch gleichzeitig, dass es nicht klappt. Nee. Also die Frauen, die sagen, wir seien frauenfeindlich, die erwarten wohl, dass der Typ, der jetzt telefoniert, nicht eine Frau als Objekt haben will – zum Schmusen, zum Abschalten -, sondern als guter, idealer Mensch anrufen müsste und mit der Frau redet wie von Mensch zu Mensch. Und nicht von Mann zu Frau. Als Ziel versteh' ich das ja, billige es auch, aber meine Aufgabe ist es nicht, Lieder mit Erziehungscharakter zu machen, sondern ich fühle mich einfach als Realitätsspiegel. Und ich finde, man muss mir gerechterweise konzedieren, dass ich in diesem Realitätsspiegel auch ausführe, dass es eben nicht klappt. Dass der Mann eben eins auf den Kopf kriegt.

Penthouse: Sabine entscheidet, und der Mann ist der Frustrierte.

Remmler: Ganz genau. Diese Frauen, mit denen ich ja sympathisiere, hätten erst ein Recht, mich anzugreifen, wenn ich aus dieser Alltagsbeschreibung, ruckzuck, am Ende ein Happy End zaubern würde. Sie kommt her, wir heiraten und sind glücklich. Genau das passiert ja nicht, in keinem unserer Lieder.

Penthouse: Es gibt bei euch keine apokalyptischen Texte, keine grünen Texte, keine politischen Texte. Nur Beziehungstexte.

Remmler: Die Beziehungsthemen sind mir wirklich näher. Die Sache mit dem sauren Regen registriere ich. Fürchterlich. Aber das fließt anders in meinen Alltag ein. Es ist nicht mein letzter Gedanke, bevor ich einschlafe, und mein erster, wenn ich aufwache. Das mit dem sauren Regen spielt sich auf einem anderen Level ab. Ich will nicht sagen, dass mir das völlig egal ist, aber das geht mir nicht so ins Herz, das ist mehr im Kopf. Ich könnte mich nicht hinstellen und sagen, ich weiß, was gegen den sauren Regen gemacht werden muss. Wählt die Grünen.

Penthouse: Die Grünen stehen Ihnen vermutlich trotzdem näher als CDU und SPD?

Remmler: Als Privatperson vielleicht. Aber das genügt ja nicht, um mich vor mein Publikum hinzustellen und die Grünen zu empfehlen. Ich lebe trotzdem sehr bewusst in der Realität, sauge auf, was passiert, aber als eine Art durchlöcherter Spiegel.

Penthouse: Vielleicht sind Sie zu viel Entertainer und suchen eher das pure Entertainment zu vermitteln, die Feierabend-Zerstreuung?

Remmler: Das ist für mich kein Widerspruch, und das, mein' ich, ist ja das Phänomen von „Trio“. Bis „Trio“ war es doch so, dass Entertainment die Sache von Leuten wie Lou van Bourg, Kulenkampff usw. war. Und andere Leute, die ein ernsthaftes Thema hatten, die waren nicht unterhaltend oder haben es nie bei einem breiten Publikum geschafft. Avantgarde und Kunst, das ist okay, aber da hat es keiner je auf Schallplattenebene oder im Fernsehen zu Erfolg gebracht. Entertainment zu machen, gleichzeitig zeitkritisch zu sein, da sind wir doch ein Novum.

Penthouse: Es gibt immerhin auch einen Dieter Hildebrandt.

Remmler: Was hat der mit Rock'n'Roll zu tun?

Penthouse: Entertainment ist ja nicht nur Musik.

Remmler: Okay, Entertainment war in den Nachkriegsjahren immer das Feld von Leuten wie Lou van Bourg. Rockmusik gab's mit Heavy-Metal-Power, Lightshows und so. Vor dem Krieg, da gab's Marlene Dietrich, Friedrich Holländer, das war eine Mischung aus spritziger Musik, zeitkritisch, intellektuell, wurde aber trotzdem als Gassenhauer von allen Leuten gepfiffen. Frühe Ufa-Filme, das war doch Massenmusik mit Pep, ironisch und mit Seitenhieben.

Penthouse: Aber war das zeitkritisch?

Remmler: Wenn ich so Sachen höre, wie „Johnny, wenn du Geburtstag hast“, so heißt das ja nicht: Mein lieber Kanzler, die Arbeitslosen und so. Aber es spielt in der Zeit. Gut, ich lasse mich da gerne korrigieren, ich lasse mir da meinen Horizont erweitern, aber ich meine, dass im Krieg und nach dem Krieg viel verlorengegangen ist. Zuerst gab's die Schnulze, dann den Rock'n'Roll, der nur ausländisch war, und dann gab's so etwas wie Cabaret oder Avantgarde, und dann gab's aber vor allem Leute wie Onkel Lou. „Trio“ kommt vom Rock'n' Roll, nicht von der Operette, nicht vom Theater. Und „Trio“ hat eine ironische, bissige Beziehung zur aktuellen Geschichte. Unsere erste Platte ist echt 1981. Und es hat was von Volkstümlichkeit. Wer hat vorher diese Elemente auf diese glückliche Art verbunden?

Penthouse: Ist das bei euch alles organisch gewachsen?

Remmler: Wir hatten kein Konzept. Das hat sich echt entwickelt, in der Weise, wie drei Leute gelernt haben, einander zu respektieren. Es ist gelebter Rock'n' Roll. Wer meint, Rock'n'Roll ist es nur dann, wenn den Musikern der Schweiß in Strömen von der Stirne rinnt, ist sowieso auf dem Holzweg. Avantgarde sind wir keine, sondern wir haben uns aus fünfzehn Jahren Rockgeschichte einfach die Dinge herausgenommen, die zu uns passen. „Trio“ ist die „Nouvelle Cuisine“ des Rock. Den Spinat haben wir zwar nicht erfunden, aber wir haben neu entdeckt, wie gut Spinat als Spinat schmeckt. Es geht auch ohne überbackenen Käse und Ketchup.

Penthouse: Eine langsame, Entwicklung?

Remmler: Eine Entwicklung, die über ein Jahr gedauert hat. Anfangs glaubten wir, wie die „Eagles“ oder was weiß ich klingen zu müssen. Und das war zeitweise ein bitterer Lernprozess. Erst nach Monaten sagten wir uns, wir schämen uns nicht, dass wir das nicht so teuer machen können, wir sind stolz auf unseren Kellersound.

Penthouse: Mit anderen Worten, ihr habt einsehen müssen, dass euch keine noch so verrückte Plattenfirma eine gigantische Produktion bezahlen würde…

Remmler: Ganz genau. Und es ist uns nicht von anderen beigebracht worden, sondern wir haben selbst erkannt, dass die „Eagles“ das viel besser machen! Weshalb sollte uns da jemand 200.000 Mark geben, um so was zusammenzubasteln? Wo es ja genügend Beispiele in Deutschland gibt, von Leuten, die klingen, als ob sie fast aus Kalifornien kommen…

Penthouse: Eine Band, besonders wenn sie unter dem gleichen Dach wohnt wie ihr, ist doch wie eine Ehe.

Remmler: Das bleibt nicht aus, wenn Leute, so wie wir, von ihren echten Persönlichkeiten ausgehen. Wenn wir drei Musiker wären, die nichts miteinander zu tun hätten und quasi irgendeine Rolle von Frank Farian zugewiesen bekommen haben, dann könnte es vielleicht anders laufen.

Penthouse: Ein Glücksfall, dass ihr euch getroffen habt?

Remmler: Das kommt jetzt auf die Philosophie an, ob Sie das Glücksfall nennen oder Schicksal…

Penthouse: Wie nennen Sie es?

Remmler: Wenn man den Erfolg als Glück ansieht, dann muss man sagen, es ist ein Glücksfall. Aber den Begriff müsste ich erst für mich definieren, bevor ich wirklich damit operiere.

Penthouse: Also doch Zufall?

Remmler: Neeneenee. Sind Zufälle nicht das, was wir im Grunde als Konsequenz unserer 24.000 Gedanken und Taten erleben? Also ich glaube, in der Weise gibt es keine Zufälle. Ich glaube, jeder kriegt das, was er verdient. Das klingt brutal, wenn man es missbraucht. So mein' ich's nicht. In unserem Fall ist es wohl ein Zusammentreffen vieler Komponenten, dass das, was wir machen, vielen Leuten gefällt. Dass wir viele Platten verkaufen und Geld verdienen. Im Grunde genommen sind wir aber doch verantwortlich dafür, dass es so gekommen ist, durch unsere Gedanken und Taten.

Penthouse: Für mich fängt die Frage nach Zufall, Glück oder Schicksal einfach weiter hinten an. Ist es ein Zufall, dass Sie in Deutschland geboren sind? Sie könnten ja auch Chinese sein oder Peruaner.

Remmler: Schon möglich, dann würden wir aber dieses Gespräch nicht führen.

Penthouse: Nein, aber dann wären Sie auch nicht das geworden, was Sie heute sind.

Remmler: Ja.

Penthouse: Ich schau's als Zufall an, hier geboren worden zu sein, hier leben zu können und das zu machen, was ich eben gerne mache. 99 von 100 Menschen können das nicht, zum Beispiel, weil die Möglichkeiten in ihren Ländern nicht gegeben sind.

Remmler: Ich weiß, ich weiß. Wenn ich da einen Menschen auf der Straße liegen sehe, halb am Erfrieren, dann meine ich nicht, der hat selber Schuld. So meine ich es absolut nicht. Das geht einfach über meinen Dunstkreis hinaus. Aber lassen Sie uns mal den Schritt Nummer 18 nehmen bei „Trio“. Das war vielleicht die Entscheidung um den Schlagzeuger. Warum ist ausgerechnet Peter Behrens bei uns geblieben und nicht einer von den 28 anderen, mit denen wir auch probiert haben? Ich glaube nicht, dass es ein Zufall ist. Ich glaube eben, das ist die Konsequenz daraus, was Kralle und ich erfahren haben. Dass es sich ebenso eingespielt hatte, als Peter kam und wir sagten: Das ist er. Wir wollen keinen anderen mehr sehen. Dass er genau das Stück Kuchen ist, was zu uns beiden passt. Das ist doch kein Zufall, sondern das liegt doch daran, welche Öffnung, welche Zacken, welche Zahnräder wir offengelassen haben.

Penthouse: Ihr habt doch einen ganz bestimmten Drummer gesucht?

Remmler: Wir hatten ja kein Konzept. Kralle und ich sind nicht dagesessen und haben gesagt, wir brauchen jemanden, der ein Heavy-Rock-Drummer in Turnschuhen ist, oder wir brauchen jemanden, der aus einem ganz anderen Lager kommt. So war es eben nicht. Es hat sich entwickelt. Peter ist gekommen und wieder weggegangen, und irgendwie ist es dann doch passiert, dass Peter derjenige war, der geblieben ist. Wenn ich sage, es gibt keinen Zufall, dann meine ich nicht, dass es vorbestimmt ist, sondern ich meine, dass es die Konsequenzen sind, aus dem, was ich früher getan, gedacht und erfahren habe.

Penthouse: Sie sind Lehrer gewesen, vor Ihrer „Trio“-Karriere. Hätten Sie sich vorstellen können, ein Leben lang zu pauken?

Remmler: Ich hatte eine schöne Wohnung mit Garten. Mittags kam ich nach Hause, und es fehlte mir nur noch eine Frau, wie die von der Kaffeereklame, die dann den Tisch gedeckt hätte. Dann hätte ich in meinem Dorf alt werden können. Ich will nicht sagen, dass mich das geängstigt hat, aber es war so reizlos. Ich sah da keinen Biss, dass ich da was wollte, dass ich da mal Schulrat werden wollte. Da konnte ich ebenso gut aufhören.

Penthouse: Wenn man Sie heute so sieht und hört auf der Bühne oder am Bildschirm und weiß, Sie sind Lehrer gewesen, so stellt man sich vor, dass Sie ein sehr begabter Lehrer gewesen sein müssen.

Remmler: Ich habe vorher studiert, ohne regelrecht aufs Examen hin zu studieren. Wie man eben so studiert. Das macht man ein paar Jahre lang, bis man sich sagt, so, nun musst du auch etwas zu Ende studieren. Na ja. In die Wirtschaft wollte ich schon gar nicht. Dieser Karrierestress, der ja nicht darum geht, dass man irgendeinen Inhalt durchboxen will, sondern nur, dass man auf der Leiter eins höher steigt. Ich suchte irgendeinen Beruf, möglichst einen, wo man Freiheit hat. Als Lehrer hat man ein relativ freies Umfeld. Da ist keiner, der zu einem sagt, nun hören Sie mal auf, Kaugummi zu kauen. Ich bin als Lehrer gut zurechtgekommen, so mit einer kumpeligen Art. Aber dass ich sagen könnte, da habe ich gelernt, was ich jetzt machen muss, um die 14jährigen zu bedienen, nee.

Penthouse: Aber haben Sie da mal ein Aha-Erlebnis gehabt?

Remmler: Es war so, dass ich mit dem Gedanken spielte, aufzuhören, Lehrer zu sein, nicht weil es fürchterlich war, sondern weil ich mich gefragt habe, ob es nichts anderes gibt. Und in dieser Phase wurde mein Kontakt zu Kralle wieder enger, den ich ja von der Schulzeit her kenne, wo wir in einer Schülerband waren. Ich suchte eine Sache, die den Lehrer ablöst, und wir beschlossen, musikalisch was richtig Professionelles aufzuziehen.

Penthouse: War es hart?

Remmler: Ich habe deswegen keine schweren Zeiten als erfolgloser Profimusiker hinter mir. Ich habe mich immer für Musik interessiert, seit ich acht Jahre alt bin und nicht Peter Kraus, sondern Elvis gekauft hab'. Aber Kralle lebte vor „Trio“ dieses normale Rock'n'Roll-Leben, wo es so knapp reicht.

Penthouse: Was richtig Professionelles, haben Sie gesagt. Da habt ihr ja kaum von allem Anfang an nur ein Trio gründen wollen?

Remmler: Nachdem Peter dazugekommen war, wollten wir auch noch einen Bassisten und einen Keyboarder, dachten sogar an einen zweiten Gitarristen. Das übliche. Mit dem Bassisten fingen wir an. Wir testeten eine ganze Reihe. Es klang meistens gut, aber nie aufregend, jedenfalls nicht so, wie wir es schon im Kopf hatten. Zu dritt hatte die Sache einfach mehr Biss.

Penthouse: Wann ist denn der Name „Trio“ aufgetaucht?

Remmler: Passen Sie auf. Ich bin noch nicht fertig. Ich erinnere mich genau an die Situation. Wir hatten wieder einen Bassisten getestet und waren noch ganz zufrieden, aber dann sprang der Kollege überraschend ab, wir saßen in der Kneipe und sprachen darüber. Plötzlich hatte ich die Idee: Wieso nicht ohne Bassist, wieso nicht ohne den fünften und sechsten Mann, wieso nicht als Trio? Das war's. Und von da weg lief auch der Name „Trio“.

Penthouse: Der Erfolg ist gekommen. Nicht über Nacht, aber doch ziemlich schnell. „Trio“ ist zur Goldgrube geworden.

Remmler: Bis jetzt ist nichts in der Weise passiert. Aber wenn die Million kommt, über vier Jahre durch drei, dann sieht das immer noch anders aus, wie ein normales Studienratgehalt. Es geht nicht darum, dass mir die Weiterarbeit einen Rolls Royce beschert oder eine Villa in Südfrankreich. Geld ist mir nicht egal, nein, aber ich hab' keine Wünsche. Dass ich mir ganz toll ein 100.000-Mark-Auto kaufen könnte, interessiert mich überhaupt nicht. Aber ich möchte irgendwo hinfahren. Einfach so oder um was zu machen. Nicht hinfahren zu können, weil ich den Sprit nicht bezahlen kann oder gar kein Auto habe, oder irgendwo nicht zum Essen gehen zu können, weil's zu teuer ist, das würde mich einengen. Ich bin froh, wenn ich mich mit solchen Sachen nicht beschäftigen muss.

Penthouse: Wenn Sie nicht Lehrer geblieben und doch nicht Musiker geworden wären, wo hätte es dann langgehen können?

Remmler: Heute würde ich gerne was in der Werbung machen, wenn ich Zeit dafür hätte. Das reizt mich.

Quelle: Penthouse Nr. 1/1984, S. 56 ff

penthouse-interview_1984.txt · Zuletzt geändert: 2016/10/23 22:32 von 127.0.0.1

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