TRIOlogie

Stephan. Peter. Kralle.

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Cravinkel Linernotes, 1998

Info aus dem Booklet der Cravinkel-CD "Cravinkel"

Die vierköpfige Rockgruppe Cravinkel, benannt nach ihrem Kopf und Gründer Gert 'Kralle' Krawinkel, formierte sich 1969 in der Besetzung

  • Krawinkel (Gitarre, Percussions)
  • Rolf 'Mick' Kaiser (Baß, Gesang)
  • Klaus George Meier (Gitarre, Gesang & Percussions, ex-Rattles)
  • George B. Haupt (gen. Miller)

Das Quartett verschrieb sich zunächst einem blues-angehauchten, leicht verspielten Folkrock, zog nach einem Personalwechsel (für Miller kam Achim Bierly) im Jahre 1970 nach Hamburg, um dort interessierten Plattenfirmen näher zu sein, und unterschrieb noch im gleichen Jahr als eine der ersten deutschen Rockbands einen außerordentlich gut dotierten Vertrag mit Philips, dem Label des Musikkonzerns Phonogram.

Anschließend siedelten die Musiker in ein abgelegenes Landhaus nach Volkmarst in der Nähe der norddeutschen Kleinstadt Bremervörde um. Hier suchten und fanden die Künstler jene Einsamkeit, die sie nach eigenen Angaben brauchten, um sich menschlich und kreativ aufeinander einzustellen. Denn in Volkmarst waren sie "… auf sich gestellt, einer auf den anderen angewiesen. Das erzog zu einer Ehrlichkeit, die sich nur als Überzeugung in ihrem musikalischen Anliegen widerspiegelt. Die Einheitlichkeit ihrer Auffassung ist die Basis der nach dem Namen der Gruppe benannten Langspielplatte 'Cravinkel'." (Presseinfo).

Im Winter 1970 erschien ihr selbstbetiteltes Debütalbum, anschließend ging die Band mit Frumpy und den Briten Spooky Tooth auf Europatournee. Dennoch ignorierte die deutsche Presse Cravinkel nahezu vollständig, nicht einmal zu einem - für deutsche Bands - obligatorischen Verriß im 'Sounds' reichte den Journalisten die Darbietungen der Gruppe. Außer einem - in der Tat überraschenden - Feature im 'Stern' und Erwähnungen in Tageszeitungen oder kleineren Magazinen, in denen die Musik kurz und unpassend als 'Romantik aus dem deutschen Bauernhaus' klassifiziert und in die Sparte 'melodischer Soulrock' eingruppiert wurde, schwiegen die Gazetten zum Thema Cravinkel.

Allerdings bekam die Band auch nicht sonderlich viel Unterstützung seitens ihrer Plattenfirma, die grade mal 17 Sekunden (!) ihres Songs 'Sitting In The Forest' auf einem Sampler (u.a. mit Frumpy, Kraftwerk, Atlantis, Eloy und den Rattles) veröffentlichte, um ihre Band auf diese Weise einem größeren Publikum vorzustellen. Zusätzliche Plattenkritiken oder gar Werbeanzeigen waren dagegen selten bzw. fanden gar nicht statt.

Zwei Jahre nach 'Cravinkel' veröffentlichte das Quartett sein zweites Album 'Garden OF Loneliness', das eine geänderte musikalische Direktive und mit Günther Thoenes (Ex-Sphinx Tush, der Band des späteren Frumpy Gitarristen Rainer Baumann) einen neuen Schlagzeuger präsentierte. Statt kurze, einprägsame Songs präsentierten Cravinkel nun drei ausladende Tracks, die einen deutlich progressieveren Touch trugen. Doch auch mit 'Garden Of Loneliness' eröffneten sich für die norddeutsche Gruppe keine zukunftsweisenden Perspektiven.

Im Frühjahr 1972 fiel ihr Haus in Volkmarst während eines Gastspiels in Rendsburg einer Feuersbrunst zum Opfer. Dabei verbrannte sämtliches Hab und Gut der Band. Obwohl Cravinkel anschließend noch einige Konzerte gaben, löste sich die Formation im Spätsommer des Jahres reichlich desillusioniert auf.

Gerd Krawinkel tauchte - zusammen mit Schlagzeuger Peter Behrens und Sänger Stephan Remmler - mit Beginn der Neuen Deutschen Welle im Jahre 1980 bei Trio wieder auf. Mit ihnen veröffentlichte der Gitarrist sechs Alben, sowie zahlreiche erfolgreiche Singles, wie 'Da da da ich lieb dich nicht du liebst mich nicht', 'Anna - Laßmichrein laßmichraus' oder auch 'Turaluraluralu - Ich mach BuBu was machst du?'. Anschließend schloß sich Krawinkel der Band von Marius Müller-Westernhagen an, spielte auf dessen Werk 'Die Sonne so rot', produzierte Mit Trio den Film 'Drei gegen Drei' und avancierte in der Folgezeit zum gefragten Studiomusiker. Anfang der Neunziger zog er von Ostfriesland nach Berlin und produzierte dort sein Solodebüt 'Kralle'. Für seinen sechsmonatigem Ritt auf einem Pferd von Sevilla quer durch Europa bis nach Hamburg im Jahre 1997 bekam er einen Eintrag ins 'Guinness Buch der Rekorde', Ende 1997 siedelte er mitsamt seines eigenen Tonstudios nach Spanien über, um dort "… neue Inspirationen als Musiker zu bekommen" (Krawinkel).

George Meier ersetzte nach dem Ende von Cravinkel zunächst Gitarrist Frank Diez bei Atlantis (zur Besetzung, die einen Monat später durch England tourte, zählte auch Udo Lindenberg, der als Schlagzeuger für Curt Cress gekommen war), anschließend formierte er mit Jochen Peters (aka. Lude Lafayette) die Formation Wolfsmond, die fünf Alben an den Start brachte, spielte u.a. bei den Emsland Hillbillys und war einer der Köpfe der Bremerhavener Gruppe Meier Miller Kaiser bzw. deren Nachfolgeformation The Good The Bad & The Ugly. Seit Mitte der Neunziger spielt er bei den Hagen Allstars, einer Coverrock-Formation, die sich Rockklassikern verschrieben hat.

Cravikel-Bassist Rolf 'Mick' Kaiser, der ebenfalls zur Gruppe Meier Miller Kaiser gehörte und ab Mitte der Siebziger in Bremerhaven die Szenekneipe 'Wally' führte, starb im Frühjahr 1997 an Lungenkrebs.

CRAVINKEL (1970, Philips 6305 055)

Von der Öffentlichkeit weitestgehend unbemerkt veröffentlichten Cravinkel im Winter 1970 ihr Debütalbum. Die Band hatte im Juni des Jahres mit ihrer Plattenfirma Philips ein ungewöhnlich hohes Produktionsbudget ausgehandelt und zog bereits zwei Monate nach Unterzeichnung des Plattenvertrages für drei Wochen in die Londoner 'IBC-Studios', eines der angesagtesten Studios jener Tage, in denen zuvor u.a. The Who ihr Album 'Who Is Who' eingespielt hatten. Mit dabei: Produzent Rainer Goltermann, der Haus- und Hofproduzent bei Philips, der zuvor ebenfalls beim Debüt von Frumpy auf dem Regiesessel gesessen hatte.

Cravinkel waren einer der ersten deutschen Rockbands, die in England produzierten, und ließen sich ihre englischen Texte unmittelbar vor Beginn der Aufnahmen von ihrem britischen Engineer Andy Knight auf Fehler oder falsche Idiome durchforsten. George Meier erinnert sich: "Einen Satz wie 'She wasn't cooking anymore' gibt es in der englischen Sprache gar nicht, wir wußten beispielsweise auch nicht, daß das persönliche Fürwort für Sonne nicht 'she' (=sie) sondern 'he', also 'er' ist. Andy Knight korrigierte diese Fehler. Das was allerdings auch fast das einzige, was er machte. Denn während wir die Songs aufnahmen, hat Andy die überwiegende Zeit gepennt."

Dennoch gelang Knight in Verbinung mit den Cravinkel-Musikern eine hörenswerte Produktion. Meier, der im Studio verantwortlich für das Stimmen der Instrumente war (die heute üblichen Stimmgeräte gab es seinerzeit noch nicht), spielte - quasi als Pilotspur - sämtliche zehn Songs zunächst ohne rhythmischen Anhaltspunkt nur mit einer Gitarre ein. Die dadurch unvermeidlichen Timing- und Temposchwankungen waren bei einer derartigen Aufnahmeprozedur unvermeidlich (später wurde der sogenannte Cliptrack eingeführt, der für ein einheitlichen Tempo innerhalb eines Stückes sorgt), sie machen aber auch gerade den Charme dieser Plarre aus.

Die Texte zu 'Lonesome Road' und 'Hidden Love' stammen von Gründungsmitglied und späteren Rattles- bzw. Wolfsmond-Drummer George B. Miller, der jedoch vor Vertragsunterzeichnung gegen Bierly ausgetauscht wurde. Engineer Knight war übrigens auch verantwortlich für den etwas verklausulierten Text auf dem Artwork, bei dem der Bandname und die Plattenfirma mit Worten wie 'Pruneogram' und 'Rip van Caprunevikel' verballhornt wird. Das Album verkaufte sich lediglich 5000 mal, deutlich zu wenig für eine Band, die mit einem dermaßen hohen Produktionsbudget an den Start gegangen war. Dementsprechend kürzte Philips für das zweite Album rigoros die Gelder. In späteren Jahren entwickelte sich 'Cravinkel' zu einem begehrten Sammlerobjekt.

P.S. Als Bonustracks gibt es die Single 'Keep On Running'/'Mr Cooley' (Philips 600315), zwei Songs, die nicht auf der original Langspielplatte zu finden sind und 1971 veröffentlicht wurden.

Matthias Mineur

cravinkel_linernotes.txt · Zuletzt geändert: 2016/10/23 22:32 von 127.0.0.1

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