Linernotes Trio Deluxe Edition

Natürlich ist es völlig falsch und ungerecht, zu behaupten, dass die Geschichte von Trio mit einem unglaublichen Urschrei im April 1982 begann. Und trotzdem war es genau so, zumindest für die Besitzer von Radios und Fernsehern und allen Leuten, die die vergangenen anderthalb Jahre ausnahmsweise nicht in irgendwelchen ostfriesischen Mistnestern verbracht hatten, in denen die Band unter Umständen im Dorfkrug oder Heuschober aufgetreten war. "Da Da Da" war das erste ernstzunehmende Lebenszeichen einer Band, von der die Plattenfirma (besser: ein paar Leute dort) Großes erwartete - es war gleich ein Lied, vor dem man sich im besagten Frühjahr wirklich nirgends verstecken konnte und das von der Konzeption her nicht anders konnte, als ein Klassiker zu sein. Wie das "Yeah Yeah Yeah" im "She Loves You" der Beatles (Geburt des Beat), das "Gataba Gabba Hey" in "Pinhead" von den Ramones (Geburt des Punk), zur Not auch das "Ugh ugh" in "Let's All Chant" der Michael Zager Band (Geburt von Disco). Wenn "Da Da Da" ein solcher Urschrei war: Wer oder was wurde da bloß geboren? Sicher kein neuer Umsturz. Die drei Musiker von Trio waren bei "Da Da Da" alle Mitte Dreißig und wirkten nicht, als ob sie die Leute mit ihrer Musik motivieren oder anstacheln wollten, als ob "Da Da Da" ein battle call sein sollte.

Jedenfalls nicht so wie bei den Punks, die in den Vorjahren leicht verspätet die Fußgängerzonen von Düsseldorf, Berlin und Hamburg aufgemischt hatten und 1982 wohl schon in Castrop-Rauxel oder Regensburg angekommen waren.

Mit der Musik ikonenhafter Bands wie Mittagspause, Abwärts, S.Y.P.H. und den Neonbabies hatte der Trio-Song zwar produktionstechnisch viel gemeinsam, aber "Da Da Da" war eher süß als aggressiv, mit dem klickernden Mini-Keyboard und dem Schokoladenonkel-Geflüster von Stephan Remmler. Trio, weder Punks noch Rockerschweine. An der Stelle geriet man 1982 bereits in Erklärungsnot. Ein bisschen klarer wird es, wenn man auf einen Samstagabend im Frühjahr 1981 zurückblendet, den man mit ebenso viel oder wenig Recht als Beginn der Geschichte von Trio werten kann. Louis Spillmann, seit kurzem General Manager der Phonogram in Harnburg, hatte eben von einem Freund aus dem Musikverlag Francis, Day & Hunter die selbstgepresste Mini-LP der Band bekommen (CD 2 Tracks 12-14) und wollte sich ansehen, was er da Fantastisches gehört hatte.

Weil Trio damals prinzipiell nie in Großstädten auftraten, musste Spillmann mit dem Auto tief ins Landesinnere, nach Meyenburg bei Bremen. Eine unglaubliche Gurkerei sei das gewesen, denn die Band hatte betont, sie werde pünktlich um acht Uhr anfangen. Als Spillmann endlich ankam, traute er seinen Augen nicht: Es gab keine Parkplätze mehr, das Konzert am Hintern der Welt war voll. "Dann komm ich rein, und da oben auf der Bühne stehen drei Wahnsinnige!" erinnert sich Spillmann, der Trio noch am selben Abend zwischen Blumentöpfen und leergegessenen Grünkohltellern einen Plattenvertrag anbot.

Was hatte Spillmann gesehen? Stephan Remmler mit geschorenem Kopf und Anzugjacke, den kühl verwirrten Entertainer. Gerd "Kralle" Krawinkel mit seiner Fender-Gitarre vor dem auf Rock'n'Roll gedrehten Vox-Verstärkerkoffer. Peter Behrens, der mit einem nach oben gedröselten Entenschwanz als Frisur im Stehen auf den Resten eines Schlagzeugs spielte. Im Prinzip das, was im April 1982 auch die Fernhsehzuschauer sahen, aber mit dem Unterschied, dass die entscheidenden Szenen nie in die ZDF-"Hitparade" gelangten: Remmlers lakonische Conferencier-Ansagen kamen punktgenau, bis er sich mit Behrens auf einer vor der Bühne aufgestellten Tischtennis-Platte ein Match lieferte, während Kralle mit der Mütze über den Augen das Endlos-Solo von "Broken Hearts For You And Me" spielte. Weil Gitarrensoli so schrecklich langweilig seien, erklärten sie dem Publikum.

Bei "Energie Reggae" hatte Schlagzeuger Behrens so wenig zu tun, dass er jedes Mal komödiantisch gegen ein Stück Klebeband an seinem Schuh kämpfte und trotzdem mit der Rassel (einer mit Erbsen gefüllten Dose Hansapils) den Rhythmus hielt. Die Musik: längst nicht so leicht zu schnappen wie "Da Da Da", aufgepeitschte Chansons in Deutsch und Englisch, der Rock'n'Roll im Trümmerbruch, dem Trio durch das reduzierte Instrumentarium und Songwriting alles raubten, womit er sich in den Siebzigern stolz geschmückt hatte, der Glam, die Drogen, die Illusionskraft.

Die ersten musikalischen Äußerungen des deutschen Punk (das weiß man spätestens seit Jürgen Teipels Buch "Verschwende deine Jugend") waren eher Nebenprodukte des sozialen Miteinander gewesen, während Trio keinen solchen Szene-Kontext hatten und nur zusammengekommen waren, weil sie Musik machen wollten und sonst nichts.

Sie waren das, was viele abschätzig "Mucker" nennen, sie beherrschten ihre Instrumente gut und zeigten das auch. Schon als Schüler hatten Remmler und Krawinkel zusammen in der Bremerhavener Beat-Band Just Us gespielt, die mit ihren Rolling Stones-Versionen (und Remmler an der Jagger-Mundharmonika) einmal sogar 14 Tage im Hamburger Star Club gastierte. Die Studentenzeit in den siebziger Jahren begann für Gitarrist Kralle in der eigenen Rockband Cravinkel. Die machte zwei Alben bei Philips, wo Remmler unter dem Pseudonym Rex Carter immerhin zwei Singles veröffentlichte.

Zur gleichen Zeit kam bei derselben Firma das einzige Album der Hamburger Psychedelic-Rocker Silberbart heraus, bei denen Peter Behrens Schlagzeug spielte. Man kannte sich flüchtig aus dem Musiker-Treff "Etzhorner Krug", aber bis zur Vollendung dauerte es noch ein paar Jahre. Die waren nicht gerade voll Musik. Remmler und Krawinkel ließen sich als Krönung ihres Oldenburger Uni-Abschlusses zu Lehrern verbeamten, Behrens ging nach Mailand auf die Zirkusschule.

Als er 1979 arbeitslos heimkehrte, stolperte er über eine Zeitschriften-Annonce: Remmler und der alte Freund Kralle suchten nach Jahren wieder Leute für eine Band. Wie viele andere fuhr Behrens zum Vorspielen nach Rastede zu Krawinkels Bauernhof, und war am Ende der, der hängenblieb.

"Mit den Kandidaten jammten wir gewöhnlich das ganze Wochenende", erzählt Stephan Remmler, "aber Peter fing an, auch unter der Woche zu kommen. Wir arbeiteten zu dritt, am Wochenende kamen dann wieder zwei Neue, und wenn wir hinterher die Aufnahmen verglichen, merkten wir, dass unsere Trio-Sachen viel näher an dem waren, was wir eigentlich wollten."

Die Zwischenlösung ohne Bass und Keyboards zur endgültigen Band-Besetzung zu erklären, das war der entscheidende Schritt zum minimalistischen Pop, der ein Jahr später den wichtigsten Talentsucher der deutschen Phonogram aus den Schuhen kippen ließ.

Der wichtigste Bassist der deutschen Rockgeschichte, Klaus Voormann, war zur Zeit der ersten Trio-Proben eben aus den USA zurück nach Hamburg gezogen. Als Beatles-Intimus (und Zeichner des "Revolver"-Covers), Mitglied von John Lennons Plastic Ono Band und teamfähiger Virtuose war Voormann eigentlich kein Studiomusiker, eher Ehrengast auf Alben von George Harrison, Lou Reed, Randy Newman, Harry Nilsson, Carly Simon. Dann habe er so etwas wie eine Wachablösung gespürt, sagt er, doch schon kurz nach der Rückkehr nach Deutschland fragten Freunde von der Phonogram, ob Voormann nicht als A&R-Berater arbeiten wolle. Für die Musikindustrie war der Beginn der achtziger Jahre eine unangenehme Zeit: Das Discofieber sank, und auf die unwirklich erfolgreichen Soundtracks "Saturday Night Fever" und "Grease" war kein wirkliches Verkaufspotenzial gefolgt.

Der als Panikdoktor nach Hamburg beorderte General Manager Louis Spillmann hatte in der nationalen Abteilung schon ein wenig aufgeräumt, ein paar Schlagersänger vor die Tür gesetzt und stattdessen die Salon-New-Waver Yello aus der Schweiz gesignt.

In einer Phase, in der es um mühsamen Künstleraufbau und nicht um beschleunigte Hits ging, legte man Wert auf Klaus Voormanns Rat. So fand der sich auch bald im Trio-Konzert wieder, dieses mal in Kiel.

"Die haben nicht eingeschüchtert reagiert", erzählt Klaus Voormann von der ersten Begegnung mit der Band, "die waren doch alle Stones-Fans."

Wie sein A&R Spillmann sah er, neben allen musikalischen Aspekten .die Professionalität dieser Show (für Plattenverträge ein nachhaltiges Kriterium), und die ideale, den Charakteren entsprechende Rollenverteilung bei Trio.

Voormann ist nur gute fünf Jahre älter als der Bandjüngste Behrens, schien aber bald eine fast väterliche Sympathie für die drei Musiker zu entwickeln. So lag es nahe, dass er die erste Plattenaufnahme als Produzent betreuen würde. Das Demo-10"-Vinyl (mit "Lady-O-Lady", "Sunday You Need Love Monday Be Alone" und der langen Live-Version von "Broken Hearts") hatte noch Live-Mischer Heino de Witt auf einer Teac-Vierspurmaschinee mitgeschnitten, eine erste Session unter Profi-Bedingungen war auf hohem Niveau fehlgeschlagen. Ein, so Remmler, "junger Typ aus Hamburg", der vom Musikverlag Francis, Day &. Hunter gorgeschlagen worden war, Hatte versucht, die Frequenzlücken im minimalistischen Sound krampfhaft zu füllen. Keiner weiß, wo die Reste dieses Bandes heute vor sich hin rotten.

Um der Geschichte kurz vorzugreifen: Was Klaus Voormann im Herbst 1981 bei der Phonogram ablieferte, löste bei den meisten Mitarbeitern der mittleren Firmenebene ebenso großes Entsetzen aus. Verzweifelt wartete Produktmanager Thomas Quast auf den Einsatz der Bassgitarre - er habe wohl "geglaubt, da werde was Dickes, Großes draus. Der hat mich beinahe zur Minna gemacht", erinnert sich Voormann. Die Band wäre kaum überrascht gewesen. Rund 20 Firmen und Verlage hatten ihr Demo seinerzeit zurückgeschickt, der johlende Zuspruch ostfriesischer Konzertbesucher war stets vom Murren ernsthafter Musiker-Kollegen begleitet. Beim allerersten Trio-Auftritt, kurz vor Weihnachten 1980 in der Dorfkneipe von Großenkneten (wo die drei im Herbst für nur 600 Mark pro Monat ins berühmte WG-Haus in der Regenterstraße l0a eingezogen waren), hatten die rund 100 geladenen Gäste sehr abweisend reagiert. "Wir würden Emotionen mit Füßen treten, hat jemand gesagt", erzählt Stephan Remmler. "Ulli Hieber, ein Produzent aus Hamburg, war der einzige, der das gut fand. Der kam damals von einem Aufenthalt in New York und sagte, das klingt genau wie die Musik dort."

Trio haben immer abgestritten, Bands wie die Talking Heads oder Pere Ubu gekannt zu haben - in einem Meeting bei der Phonogram wurden sie nach ihren Einflüssen gefragt: Kralle nannte Status Quo, Remmler Peter Alexander, Peter Behrens den Clown Grock.

Als es im Sommer 1981 ernst wurde, klingelte bei Louis Spillmann das Telefon. Klaus• Voormann war dran und bat um 10.000 Mark für zwei Achtspur-Bandmaschinen, und mit dieser Grundausrüstung zogen sie ins "Schweinestall"-Studio bei Husum. Das goldige Reetdachhaus hatte Detlef Petersen, Produzent und ehemaliger Keyboarder der Rockband Lake, für rudimentäre Non-Komfort-Sessions ausgebaut, als Rock-Stall mit nassen Wänden, von denen der Schall aus dem Gitarren-Verstärker wie eine Ohrfeige zurückknallte, so dass man auf Delay-Effekte verzichten konnte. An den riesigen Knöpfen des hauseigenen Uralt-Mischpults saß als Engineer der Brite Geoffrey Peacey, ein Ex-Lake-Kollege Petersens. Remmler stieß :sich beim Betreten des Studios immer den Kopf am niedrigen Türrahmen, im ersten Stock waren Übernachtungszimmer. Das WG-Leben kannten Trio.

"Wir waren keine Freunde", blickt Peter Behrens zurück, "wir waren einfach routinierte Bühnenmusiker, die auch im Studio ihren Teppich gebastelt haben." Voormann erinnert sich an leichte Spannungen während der Album-Aufnahmen, die oft darin gegründet hätten, dass vor allem Remmler schon früh ein großer Perfektionist gewesen sei. Es ging trotzdem relativ schnell. Die Arrangements waren hundertfach geprobt, es gab nichts wegzulassen und kaum was draufzubasteln, und wenn Stephan Remmler mit seinem Gesang unzufrieden war, schickte er Voormann und die anderen für ein paar Runden ums Haus und brachte die Aufnahme konzentriert zu Ende. Die Hörer sprachen später oft von Chaos, Spontaneität, lustigen Dilettanten. Alles, wirklich alles auf dem Album "Trio" war abgezirkelt, geplant und getestet.

Um der fertigen Platte ein behelfsmäßiges Show-Ambiente zu geben, wurde sie mit zwei 30-sekündigen Schnippseln gerahmt: Remmlers desillusionierende Warnung in "Achtung Achtung", die die Phonogram auch in der Anzeigenkampagne abdruckte, und am Ende der Live-Schlachtruf "Trio", eine Version von Harry Belafontes "Banana Boat Song". Ausgerechnet bei "Ja Ja Ja", einem der besten Songs der Platte, ist die Herkunft der veröffentlichten Aufnahme unklar. Der Applaus am Ende und einige Unsauberkeiten legen nahe, dass es sich um einen Live-Mitschnitt handelt. Allerdings sagt Produzent Voormann, dass Behrens und Kralle im Studio vor allem an "Ja Ja Ja" wie Besessene gearbeitet hätten, um es in besonders hohem Tempo hinzubekommen - Gitarre und Schlagzeug wurden bei allen Session-Takes zusammen gespielt, jeder Fehler zwang die Musiker, von vorn zu beginnen. Vielleicht fügten sie das klatschende Publikum später als Effekt hinzu, vielleicht verwarfen sie die Studio-Aufnahmen ganz, sie wissen es nicht mehr. Die Kirchenglocken von "Kummer" stammen jedenfalls aus dem Bandarchiv. Beim Einmischen schlugen Voormanns musikalische Ohren kurz Alarm: Natürlich hatte man nicht daran gedacht, die Tonart des Stückes auf den Glockenklang abzustimmen. Die leichten Dissonanzen im Mittelteil werden durch ein quäkendes Solo verstärkt, das Remmler auf einer Spielzeuggitarre aus Plastik spielte und in Konzerten gewöhnlich zur großen Kakophonie ausbreitete.

Allen im Studio war offenbar klar, dass ein solcher Exkurs auf Platte nicht die gewünschte Wirkung haben würde - auch "Broken Hearts For You And Me" wurde um das komplette Tischtennis-Solo gekürzt. "Masty" ist ein Musterbeispiel für die Arbeitsweise: Der Song selbst war fix aufgenommen und klingt exakt wie die Demo-Version aus dem Großenknetener Hauskeiler, aber an dem Klirrgeräusch in der Mitte tüftelten sie stundenlang, schleuderten den Inhalt eines ganzen Gläserkartons und mehrere Bierflaschen an die Decke. Bei "Danger Is" sollte verhindert werden, dass die "Da Gefahr!"-Rufe der Band-Mitglieder (wie in der Live-Version) genau im Takt kamen. Also setzten sie sich für das Overdub im Kreis und warfen einen Ball von Mann zu Mann. Wer abgab, musste brüllen. Die Detailfreude, die Trio sonst in der Show-Choreografie auslebten, brach sich auch im Husumer "Schweinestall" Bahn.

Einiges war auf Platte unrealisierbar. Das Stück "Du ich war so gern bei dir" (CD 2 Track 5) kam der Band ohne Peter Behrens Clownnummer fad vor: Während Remmler und Kralle die Frauennamen von A bis Z sangen, hielt der Schlagzeuger (wie in Bob Dylans berühmten "Subterranean Homesick Blues"-Video) Karten mit den entsprechenden Buchstaben hoch, baute Fehler ein und machte Faxen. "Oder doch -wird so schlimm nicht sein" disqualifizierte sich wegen des Songtextes ("Mach die Beine breit und lass mich rein/ Es soll dein Schaden nicht sein/oder doch"). Beide Songs tauchten auf späteren Trio- und Remmler-Platten verändert auf, aber bizarrerweise wanderten ausgerechnet Voormanns Favorit "Lady-O-Lady" und das ausgezeichnete "Halt mich fest ich wird verrückt" (es gibt keine Satzzeichen in Trio-Titeln) auf die zwei Seiten der Bonus-Single. Die Single lag der Erstauflage des Albums "Trio" bei, das am 10. Oktober 1981 beim Phonogram-Label Mercury erschien und zusätzlich einen Tragegriff oben am Cover hatte, um Aufmerksamkeit zu erregen. Schon bei der zweiten Pressung fehlte die Single, die zwei essenziellen Trio-Stücke überlebten nur auf der Kassetten-Version.

Alles war so, wie Trio es wollten. Nach Louis Spillmanns Machtwort hatte niemand mehr Hand an Voormanns fertigen Mix gelegt, war sogar das weiße Cover mit der Großenknetener Adresse und Telefonnummer durchgegangen, obwohl einige Mitarbeiter ernsthaft gewarnt hatten, dass sich im Plattenladen darauf der ganze Fingerdreck sammeln würde. "Sounds"-Journalist Detlef Kinsler wählte die abgedruckte Nummer, bekam nur dumme Antworten und raunte in seiner verwirrten LP-Besprechung in der Dezember-Ausgabe von einem "Werk (…), das dich schon bei dem Versuch, es innerhalb der deutschen Szene 'einzuordnen', scheitern lässt" (die ratlose Wertung: bis ***}. Weitere Anrufe in Großenkneten nahm freudestrahlend der junge Sohn von Stephan Remmlers Ex-Komrnilitonin entgegen, die mit zur WG gehörte, während Trio auf einer zweimonatigen Deutschland-Tour täglich in bis zu drei Plattenläden oder Kaufhäusern spielten, dabei eine respektable Menge Alben verkauften, aber nicht genug, um ins Fernsehen, Radio oder - Himmel hilf - in die Charts zu kommen.

Noch immer keine Spur von "Da Da Da". Als ob die am Anfang dieses Textes aufgestellte These vom Trio-Urschrei bereits widerlegt wäre: In den Augen einiger orthodoxer Fans war die Band zu dem Zeitpunkt schon über den eigenen Höhepunkt hinweg, hatte ihre beste Musik abgeliefert und steuerte schlingernd, aber konsequent auf die großen Konzertbühnen zu, für die ihre Show nicht geeignet war. "Da Da Da", unbeliebt bei den Experten und den Musikern selbst, kann man aber auch als den definitiven Trio-Moment sehen, als Dreieinhalb-Minuten-Trip durch alle kuriosen Ecken des Band-Universums. Der erste Song, den die Gruppe nach den aufregenden Monaten und der Festschreibung des eigenen Image komponierte. Der erste Song im vollen Bewusstsein der eigenen Stärken.

Außerdem scheint kein anderes Trio-Stück eine so komplex verworrene Entstehungsgeschichte zu haben. Grund-Inspiration sei das Automaten-Pop-Stück "Popcorn" von Hot Butter aus dem Jahr 1971 gewesen, sagt Peter Behrens. Louis Spillmann erinnert sich, wie er mit Stephan Remmler im Phonogram-Büro über die insgesamt enttäuschenden LP-Verkäufe sinnierte und dieser plötzlich sein kleines Casio-Keyboard aus der Tasche zog und eine frühe "Da Da Da"-Version vorstellte. Die Plattenladen-Tour hatte Trio aus dem gewohnten Proben-Alltag gerissen, doch am Ende war der Song ausgereift genug für das Publikum im ausverkauften Berliner Kant-Kino, wo die Band an den Weihnachtstagen 1981 drei Mal spielte. "Remmler und ich fingen an", erzählt Behrens, "dann setzte Kralle ein, und 600 Leute standen auf und klatschen Standing Ovations." Unter ihnen Annette Humpe und Hans J. Behrend von der Band Ideal, die später auf der Platte mitspielten.

Fehlte noch Dieter Meier von Yello. Louis Spillmann jubilierte, als seine zwei Lieblingsbands sich bei der Phonogram-Vertriebstagung Anfang 1982 in Garmisch-Partenkirchen anfreundeten und Meier die Trio-Musiker nach Borgen bei Zürich in sein Studio einlud. Humpes Gesang und Behrends Kastagnetten wurden nachträglich in Berlin aufgenommen, die fertige Single "Da Da Da ich lieb dich nicht du liebst mich nicht aha aha aha / Sabine Sabine Sabine" ließ dann endlich alle Zahlenspiele aufgehen, verspätet.

Nach dem Charteinstieg am 5. April 1982 hielt sich die Platte 18 Wochen in den deutschen Top Ten, zeitweise auf Platz 2, weitere 9 Wochen in der tieferen Region. Als man den Hit in die dritte Auflage des Albums einfügte, kam auch "Trio" noch in die Hitparade, in 12 Top-Ten-Wochen bis auf Platz 3. Eine Goldene Schallplatte für die über 250.000 verkauften Stück gab es nie: Wegen der unterschiedlichen Bestellnummern durften die Umsätze der verschiedenen LP-Ausgaben nicht zusammengezählt werden, "Da Da Da" öffnete die Märkte Frankreich, Englands, Brasiliens und Kanadas. Die USA zogen noch 1997 nach, als der Song einer VW-Werbung auftauchte. Japan biss ausnahmsweise nicht an.

Wie es mit der Band weiterging, wie der Kinderchor von "Turaluraluralu" ins Spiel kam und der Film "Drei gegen drei" gedreht wurde, ist eine andere, lange Geschichte. Bleibt bloß noch die Frage vom Anfang, was Trio eigentlich zur Welt gebracht haben. Entdecker Louis Spillmann nennt es "Dadaismus in kommerzieller Form". Dass "Dadaismus" mit den gleichen Buchstaben beginnt wie "Da Da Da", ist vermutlich auch nur Zufall.

Quelle: Booklet Trio Deluxe Edition von Joachim Hentschel